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Testbericht Kawasaki ZX6R 2009

10kg leichter und neue Gabeltechnik von Showa - Testfahrt auf der Rennstrecke.

Kawasaki Ninja ZX-6R 2009 Testbericht

Schon wieder Stoppuhren an der Boxenmauer. Doch ich selbst hab das grausame Spiel mit dem Zeiteisen begonnen. Die japanische Kawasaki-Teststrecke Autopolis ist für mich, aber auch für die gegnerischen Journalisten fordernd und neu. Einzig die japanischen Schreiberlinge hatten Heimvorteil und trafen die Ideallinie. Ich musste mich also an die Fersen vom Nippon-Schreiber Miyanzaki San heften, um die gnadenlose Meute an der Boxenmauer zu beeindrucken.


10 kg leichter!

Eine gute Strategie für die Rechts-Links Kombination vor der Zielgeraden war essentiell für eine gute Rundenzeit. Hier gelang es mir das spürbar verbesserte Handling der ZX-6R gekonnt in die Schlacht zu werfen. Ich verzichtete auf eine runde Linie und wuchtete die Ninja blitzschnell von der langen Rechts in die kurze Links und zerrte sofort am Gasgriff. Nicht nur, dass die neue 6er um 10kg leichter ist, auch der Radstand wurde etwas kürzer und der Lenkkopfwinkel etwas steiler. Das gesamte Layout der Maschine wurde außerdem kompakter und die schweren Teile wie Motor und Auspuff wanderten näher zum Schwerpunkt des Motorrades.

Unruhe in der Bremszone

So konnte ich wieder etwas Boden auf den Nippon-Kollegen gut machen. Denn ohne seine Vorlage in den kniffligen Passagen wird es schwierig werden für mich. Am Ende der Zielgeraden musste ich dann erkennen, dass Vorteile auch Nachteile mit sich bringen. Beim harten Anbremsen bleibt die neue 6er nicht mehr so stabil wie das Vorgängermodell. Die tüchtigen Techniker in der Boxengasse konnten mit einem strafferen Setup an der Gabel schon viel ausbügeln, aber eine solch spürbare Verbesserung im Handling kann nicht ohne Abstriche in Sachen Stabilität von Statten gehen. Doch Kawasaki weiß bescheid und erschlägt das Thema einfach mit barer Münze.

Öhlins Lenkungsdämpfer

Ein Öhlins Lenkungsdämpfer sorgt dafür, dass das radikalere Layout nicht zu radikalen Fahrsituationen führt. Es gibt hier einige Streckenabschnitte wo das Vorderrad am Kurvenausgang etwas unruhig wird aber nicht ein einziges Mal musste ich deshalb am Gasgriff zaudern - der einstellbare Lenkungsdämpfer arbeitet schnell und präzise, schon mit leichter Dämpfungseinstellung.

Leicht mit Komfort

Ein dickes Plus sammelte die Kawasaki in Sachen Komfort. Ich fühlte mich auf der bisherigen Ninja immer sehr wohl und konnte gleich schnelle Rundenzeiten wie mit einer leichteren und stärkeren R6 fahren. Das Feeling im Sattel war einfach stressfrei und ich konnte hohen Kurvenspeed fahren. Die Ninja wurde nun leichter und radikaler aber trotzdem nicht beschwerlich. Die Sitzposition ist nach wie vor sehr gut, in den Kurven keine Spur von Hektik und mein Körper findet am Motorrad viele Integrations-Möglichkeiten. Der Tank ist nun zum Beispiel ähnlich dem ZX-10R Tank und in langen Kurven kann man sich angenehm mit den Unterarmen am Tank abstützen.




Öhlins Lenkungsdämpfer serienmäßig. Beruhigt die quirlige Kawa schon mit relativ wenig Dämpfung.


Etwas stärker oben, spürbar druckvoller unten

Angeblich hat die neue ZX-6R mit 128 PS etwas mehr Spitzenleistung als das Vorgängermodell. Auf der Strecke sind für mich solche Feinheiten von 3 PS aber nicht nachvollziehbar. Mein Gefühl sagt mir, dass auch die neue ZX-6R bei der Spitzenleistung etwas hinter der Yamaha liegt. Spürbar stärker fühlte sich die Ninja aber im unteren Drehzahlbereich an. Damit meine ich den Bereich um die 8.000 U/min. Darunter hat eine 6er auf der Rennstrecke wenig Sinn. Ich erwähne dies nur der Vollständigkeit halber, weil einzelne Journalistenkollegen enttäuscht waren, dass auch die neue 6er nicht bei 4.000 U/min zügig aus der Kurve fährt. Das Ansprechverhalten und die Motorabstimmung ist makellos und dadurch kann man in der Stadt aber auch auf der Rennstrecke problemlos aus dem Drehzahlkeller fahren. Wer Druck will, muss aber dort beginnen wo der grüne Bereich beginnt - bei 8.000 U/min!

Gabel Revolution

Wir schreiben das Jahr 2009 - zumindest in Sachen Motorradtechnik! Eigentlich waren wir der Meinung, dass bei solch profanen Dingen wie einer Seriengabel keine wesentlichen konzeptionellen Änderungen mehr auftauchen. Doch wir wurden von den japanischen Showa-Technikern eines besseren belehrt. Das Innenleben der nDaseuen Gabel hat mit bisherigen Gabelinnereien nicht mehr viel Gemeinsamkeiten. Showa nennt die Technik "BPF - Big Pisten Fork" und in der ZX-6R kommt diese Gabel erstmals zum Einsatz. Als nächstes werden wir diese Gabel dann in der GSX-R 1000 K9 von Suzuki erleben.

Das Cockpit absolut Kawa-würdig. Der grüne Bereich beginnt dort wo das Feuer richtig zu lodern beginnt.

Augen auf liebe Neider! Die neue Gabel sieht auch von außen neu aus. Zug- und Druckstufe werden oben eingestellt, die Federvorspannung am unteren Ende der Gabel.

Die neue Showa-BPF Gabel im Detail


Die neue Gabel hat mit dem bisherigen Gabelaufbau nichts mehr gemeinsam. Die Dämpfung in einer herkömmlichen Cartridge Gabel spielte sich im Inneren des Cartridge-Bauteiles ab (siehe Bild links). Beim neuen System laufen die Kolben direkt an den Innenwänden des Tauchrohres (siehe Bild rechts).

Der wesentliche konzeptionelle Vorteil: Der Kolben ist deutlich größer und bietet eine 3,4 mal größere Oberfläche als das bisherige System. Dadurch konnte logischerweise bei gleichbleibender Dämpfungskraft der Druck im Öl reduziert werden. Damit wird die ganze Gabel sensibler und präziser. Angenehmer Nebeneffekt: In der neuen Gabel erspart man sich gewaltige 400 Gramm an Dämpferöl. Diese 400 Gramm an einer herkömmlichen Gabel abzuspecken, wäre im Serienbau schwierig umzusetzen gewesen. Insgesamt besteht die Gabel nun aus deutlich weniger Teilen und man könnte meinen, dass der Entwicklungsschub eher aus der Erbsenzählerabteilung als von den Technikern kam.

Doch der Techniker machte klar: Die neue Gabel hat kostentechnisch einen gravierenden Nachteil. In der Fertigung müssen nun die feinen Toleranzen nicht nur auf auf der deutlich kleineren Oberfläche der Cartridge eingehalten werden, sondern über die gesamte Fläche des Tauchrohres. Am Ende blieben die Kosten gleich.

Pere Riba spricht offen: Finger weg von der Gabel

Als positiv bewerte ich mal, dass beim ersten Eindruck die Gabel funktioniert wie man es von einer Gabel erwartet. Also die technische Revolution erfordert keine Umstellung im Fahrbetrieb. Der zweite Eindruck war dann aber noch viel besser. Die Gabel fühlt sich sensibler und präziser an als bisherige Seriengabeln. Sie erinnert mich an teuer aufgebaute Tuningteile die sehr präzise ansprechen aber trotzdem hohe Dämpfungsreserven haben. Der Kawasaki Testpilot spricht vor dem Mikro mit mir über das Supersport Engagement von Kawasaki und sein gutes Gefühl mit der ZX-6R. Als ich die Kamera wegsteckte, sprach er offen über die neue 6er:
" Hör zu Nils! Leute wie Du, die mit ihrer Ninja in flotten Hobbyserien unterwegs sind, sollten folgendermaßen vorgehen. Als erstes würde ich den Auspuff durch eine Rennversion ersetzen. Das bringt sofort nochmal fast 10kg Gewichtsersparnis und die Ninja fährt dann so wendig, dass Dir schwindlig wird. Um das Bike in der Anbremszone aber auch beim Rausbeschleunigen stabiler zu kriegen, würde ich ein neues Federbein montieren. Das serienmäßige Federbein ist gut, aber für ernste Renneinsätze etwas zu weich. Aber greif die Gabel nicht an! Die ist wirklich gut. Wir haben damit unglaublich schnelle Rundenzeiten erzielt. Die Showa-Leute haben die Gabel in den letzten 2 Jahren mit der ZX-6R parallel mitentwickelt. Sicherlich ist eine Öhlins-Gabel ein feines Zeug, aber Showa hat hier einfach viel Know-How aufgebaut. Glaub mir - das Teil ist BRILLIANT. Bei Tests hier in Autopolis sind wir mit der serienmäßigen 09er ZX-6R mit 1:58er Zeiten um 2,5 Sekunden schneller gefahren als mit der alten ZX-6R. Wie waren übrigens Deine Rundenzeiten hier? " " Oh.Äh! Ich versuche gerade unter 2:10 zu kommen, ich glaube 2:09 kann ich erreichen...."Okay! Thats nice too.... "

Pere Riba, der Kawasaki Testpilot ist das Bindeglied zwischen dem neuen Supersport WM Team und der Kawasaki Entwicklungscrew. Die alte Ninja wie auch die neue Ninja kennt er wie seine Westentasche.

NastyNils fährt nun bereits die fünfte ZX-6R Generation. Die neue 6er liegt trotz radikalerem Auftritt immer noch angenehm in der Hand.

Zweigeteilte Ansaugtrichter für mehr Dampf im Keller


In der Pause folgte in der Box eine harte Stunde Strömungslehre in gnadenlosem Nippon-Englisch. Fix ist, dass die japanischen Techniker eine äußerst simple aber schlaue Lösung aus dem Hut gezaubert haben. Die Ansaugtrichter sind nicht mehr als stinknormale Gummitrichter (Bild unten links) mit einer etwas seltsamen Form. Damit möchte Kawasaki verstellbare Ansaugtrichter simulieren ohne sie tatsächlich zu verstellen. Wie bisher auch verrichten 2 Drosselklappen pro Einspritzeinheit ihren Dienst. Die untere Drosselklappe folgt mittels Seilzug den Befehlen der rechten Hand, die obere ovale Drosselklappe wird vom Rechner über die Drehzahl gesteuert und sorgt für ein besseres Ansprechverhalten. Ganz nebenbei wird damit nun aber auch der Luftstrom durch den geteilten Ansaugtrichter geleitet. Bei niedrigeren Drehzahlen legt der Luftstrom einen längeren Weg zurück, bei hohen Drehzahl einen kürzeren Weg.

Mit einem normalen Trichter kann man das System auf nur eine einzige "Resonanzdrehzahl" optimieren, mit einem elektromechanischen System wie in der R6 kann man zwei Drehzahlbereiche optimieren. Mit dem einfach aufgebauten System von Kawasaki erreichte man eine stufenlose und fließende Optimierung über den gesamten Drehzahlbereich.

Als wir Journalisten endlich begannen das schlaue Teil zu verstehen holten die Japaner zum finalen Endschlag aus: "Außerdem sind die beiden mittleren Trichter anders geformt als die beiden äußeren Trichter. Damit trägt man der Tatsache Rechnung, dass die einzelnen Zylinder kein getrenntes Leben führen sondern durch eine gemeinsame Airbox atmen und sich untereinander beeinflussen..."

4 geteilte Gummitrichter in der Kawasaki Airbox sorgen für mehr Drehmoment über einen breiten Drehzahlbereich... ..natürlich gemeinsam mit je zwei Einspritzdüsen, je zwei Drosseklappen und vielen Stunden im Strömungslabor.

Am Kurveneingang spendet die Gabel viel Vertrauen. Das geringere Gewicht und das neue Chassis-Layout sorgen für flinkeres Handling.

In der Kurve hat man auch mit 1,85m Körpergrüße Möglichkeiten sich ins Motorrad zu integrieren. Überraschend: Die Kawa wurde schärfer aber trotzdem nicht anstrengender.

Fazit und Vergleiche:

  • Die Kawasaki fährt sich spürbar handlicher als bisher

  • Dem Gerät fehlt für die Rennstrecke absolut nichts. Lenkungsdämpfer, Anti-Hopping, Fahrwerk, Motor - alles bereit.

  • Nicht mehr ganz so stabil wie früher. Heck fühlt sich in Bremszone leichter an als bisher.

  • Der Motor fühlt sich im unteren Drehzahlbereich druckvoller als bisher an, in Sachen Spitzenleistung noch nicht so scharf wie eine R6.

  • Keine Angst vor den radikalen Änderungen: Die Kawasaki bleibt insgesamt komfortabel und einfach zu fahren. Fährt sich stressfreier als R6 und dank Anti-Hopping auch als eine CBR 600 RR.

  • Die Sitzposition war für mich auf der Rennstrecke perfekt. Auf der Strasse würde ich mich aber auf einer aktuellen GSX-R 600 etwas wohler fühlen.

  • Besitzer einer aktuellen ZX-6R wird der Umstieg auf die Neue leicht gemacht. Im Prinzip kann man mit dem gleichem Fahrstil sofort billig Zeit gut machen.


Quelle: 1000ps.de


Geschrieben von Soeldi am Donnerstag, 06. November 2008

Testbericht Kawasaki ZX6R 2009

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