Hells Angels - Rhein in der Kritik

Die hessische Polizei soll beim Verbot der Hells Angels ihre eigenen Kompetenzen überschritten haben. Der Anwalt des Rockerclubs reicht deshalb Anfechtungsklage beim Verwaltungsgerichtshof Kassel ein. Das Innenministerium von Boris Rhein (CDU) steht in der Kritik.

Es sind etliche hundert Seiten, die zwischen Frankfurt, Wiesbaden und Kassel inzwischen herumgeschickt worden sind, in den Schriftsätzen geht es um das Verbot zweier Rockerclubs, die im Verdacht der organisierten Kriminalität stehen. Nur geht es in diesen Schriftsätzen kaum um organisierte Kriminalität. In der Anfechtungsklage gegen das Verbot der beiden Charter Westend und Frankfurt der Hells Angels vor dem Verwaltungsgerichtshof in Kassel dominiert zunehmend eine ganz andere Frage: Hat das hessische Innenministerium für das im vergangenen Herbst verfügte Verbot eine eigene Bewertung erstellt, wie es das Vereinsgesetz vorschreibt? Oder hat es polizeiliche Ermittlungen mit dem Ziel des Verbots übernommen?

Laut einem Konzeptpapier der Bund-Länder-Projektgruppe „Bekämpfungsstrategie Rockerkriminalität“ der Polizeibehörden, das der FR vorliegt, spricht vieles dafür, dass die Ermittler der hessischen Polizeibehörden sehr fleißig waren und im Vorfeld des Verbots viele Erkenntnisse gesammelt haben – möglicherweise waren sie zu fleißig, während das Innenministerium von Boris Rhein (CDU) mit weniger Elan zu Werke ging. Vor dem Verwaltungsgerichtshof in Kassel, wo Formalien großes Gewicht haben, könnte das zum Problem werden.

Das Papier, als „Verschlusssache – nur für den Dienstgebrauch“ gekennzeichnet, enthüllt, dass die Polizeibehörden dazu übergegangen sind, gegen Rocker mit dem Ziel zu ermitteln, sie durch die Innenministerien verbieten zu lassen. Sofern Ermittlungen gegen Rockergruppen etwa zu dem Ergebnis führten, „dass die Aktivitäten der Clubs auf die planmäßige Begehung von Straftaten ausgerichtet sind“, heißt es darin, „ist ein Verbotsverfahren nach dem Vereinsgesetz zu prüfen“.

Und weiter: „Das Verbot qualifiziert den Rockerclub öffentlich als kriminell.“ Das alles mag bei den Hells Angels zutreffen, die Schlussfolgerung der Polizei obliegt laut Vereinsgesetz aber der Verbotsbehörde, also dem Innenministerium. Danach darf es die Erkenntnisse der Polizeibehörden nur sammeln, muss sie aber einer eigenen Bewertung unterziehen – und dann ein Verbotsverfahren einleiten. Oder auch nicht.

Michael Karthal sagt, er sei durchaus erstaunt gewesen, als er erkannt habe, dass eine eigene Ermittlung in der Verbotsverfügung fehle. Karthal ist ein erfahrener Verwaltungsrechtler, kein erfahrener Rocker-Anwalt, die Hells Angels vertritt er zum ersten Mal. „Mit einem solchen Fehler des Ministeriums war nicht zu rechnen“, sagt er. Seine Verteidigungslinie zielt nun zuvorderst auf diese Formalie ab, nach der die Polizeibehörden ihre Kompetenzen überschritten haben, während das Ministerium seine nicht ausschöpfte. Erst danach folgt eine Auseinandersetzung mit dem Vorwurf, der eigentliche Zweck der Charter sei die Hilfestellung zur Begehung von Straftaten wie Drogen- und Menschenhandel gewesen. Natürlich bestreitet Karthal auch diese und spricht von Bagatellen.

Das Innenministerium äußert sich auf FR-Anfrage nicht dazu und verweist auf das laufende Verfahren. Das soll noch in diesem Jahr abgeschlossen werden. Ein Termin für die mündliche Verhandlung steht allerdings nach Angaben des Verwaltungsgerichtshofs noch nicht fest.

Quelle

Geschrieben von Söldi am Freitag, 13. Juli 2012

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